Ausbildungspersonal hat die Aufgabe, anfallende Arbeiten mit Ausbildungsinhalten zu verbinden und für die Ausbildung aufzubereiten. Dazu eignen sich Lernaufträge in besonderem Maße. In kleinen und mittleren Unternehmen wird die Ausbildung in der Regel von nebenamtlichen Ausbilderinnen und Ausbildern durchgeführt. Sie findet überwiegend im Rahmen der normalen betrieblichen Tätigkeiten, d.h. bei der Bearbeitung von Kundenaufträgen statt. Es bietet sich deshalb an, geeignete Kundenaufträge in Lernaufträge umzuwandeln. Um Aufwand und Kosten niedrig zu halten, werden vor allem häufig durchgeführte Standardaufträge zu Lernaufträgen aufbereitet. Sie können dann immer wieder eingesetzt werden. Kundenaufträge können auch in auftragsbezogene Leittexte umgewandelt werden.
Bedeutung des betrieblichen Lernorts
Der Lernort Betrieb eignet sich besonders gut zur Vermittlung von Kompetenzen, die in der Ausbildungswerkstatt nicht oder nur sehr schwer zu erreichen sind:
- Lernen in realen Arbeitssituationen entsprechend der berufstypischen Anforderungen
- Erfassen komplexer Probleme in größeren Zusammenhängen
- Flexibilität in unvorhergesehenen Situationen
- Ausbildung an Produkten und Produktionsmitteln
- Vermittlung betriebsspezifischer Fertigkeiten und Kenntnisse
- Vermittlung von Handlungs- und Sozialkompetenz
Wenn Sie aus einem Kundenauftrag einen Lernauftrag für ihre Auszubildenden ableiten möchten, sollten Sie seine Eignung vorab anhand folgender Fragen überprüfen:
- Enthält der Auftrag überwiegend berufstypische Arbeiten?
Der Arbeitsaufwand lohnt sich nicht, wenn der Auftrag nur sehr wenig relevante Ausbildungsinhalte enthält. - Handelt es sich um einen Standardauftrag?
Der Entwicklungsaufwand für einen Lernauftrag ist besonders effektiv, wenn zu erwarten ist, dass er oft eingesetzt werden kann, eventuell auch in Teilen oder leichten Abwandlungen. - Ist genug Vorlaufzeit für die Planung vorhanden?
Wählen Sie nur solche Aufträge aus, die Ihnen genug Zeit zur gründlichen Vorbereitung lassen. Unvollständige Materialien führen zu unbefriedigenden Lernergebnissen und fehlerhaften Arbeiten, die den Auszubildenden, Ihnen und auch den Kunden nichts als Ärger einbringen. - Ist der Auftrag von den Auszubildenden termingerecht durchzuführen?
Zu berücksichtigen ist das möglicherweise geringere Arbeitstempo von Auszubildenden. Dazu kommen die Ausfallzeiten durch die Berufsschule, die zusätzlichen Zeiten für die Informationsbeschaffung und Informationsauswertung durch die Auszubildenden und für praktische Anleitungen und Lehrgespräche. - Sind die in dem Auftrag geforderten Qualitätsstandards von Auszubildenden zu erfüllen?
Achten Sie auf den persönlichen Leistungsstand der Auszubildenden. Überlegen Sie, ob sie den Auftrag oder Teile davon weitgehend selbständig und zur Zufriedenheit der Kunden durchführen können.
Gehen Sie bei der Umwandlung eines Kundenauftrags in einen Lernauftrag systematisch vor. Die nachfolgend aufgeführten Schritte können dabei als Orientierungshilfe dienen:
- Zerlegen Sie den Auftrag in Teilaufgaben und einzelne Tätigkeiten
- Ordnen Sie die Tätigkeiten den im Ausbildungsplan geforderten Kenntnissen und Fertigkeiten zu
- Vergleichen Sie die Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Ausbildungsstand der Auszubildenden
- Wählen Sie die eine Teilaufgabe aus, die dem Ausbildungsstand der Auszubildenden entspricht
- Formulieren Sie die Aufgabe als Auftrag
- Stellen Sie die notwendigen Arbeitshilfen in Form von schriftlichen Anleitungen, Skizzen, technischen Zeichnungen bereit. Weisen Sie auf weitere Informationsmöglichkeiten hin
Wie muss ein Lernauftrag konzipiert sein, um selbstständiges Handeln und aktives Lernen zu fördern?
- Fügen Sie dem Auftrag nur wenig Informationsmaterial hinzu, weisen Sie stattdessen gezielt auf weitere betriebliche Informationsquellen hin. Hierdurch werden die Auszubildenden zur selbstständigen Informationsbeschaffung angeregt.
- Räumen Sie den Auszubildenden ausreichend Zeit ein. Schaffen Sie die notwendigen Freiräume, die zur selbstständigen Durchführung des Auftrags benötigt werden. Dazu gehören, neben der Informationsbeschaffung, auch die eigenständige Entwicklung eines Lösungsweges und notwendige Korrekturen im Laufe des Arbeitsprozesses.
- Vergewissern Sie sich, dass der Lernauftrag von den Auszubildenden richtig verstanden wird. Vereinbaren Sie zu diesem Zweck ein Planungsgespräch, indem die Auszubildenden Ihnen die Art und Weise der Auftragsdurchführung erläutern. Für den Abschluss der Arbeit vereinbaren Sie ein Auswertungsgespräch, in dem die Auszubildenden die Arbeitsergebnisse vorlegen. An dieser Stelle können gegebenenfalls Nacharbeiten vereinbart werden und/oder eine Bewertung erfolgen.
Welche neuen Kompetenzen müssen die betrieblichen Fachkräfte erwerben? Am Lernort Betrieb arbeiten die Auszubildenden mit den betrieblichen Fachkräften zusammen. Auf sie kommen bei der Durchführung von Lernaufträgen wichtige Aufgaben zu:
- Funktion als Lernberater/-in
Sie müssen sich als Lernberater/-in verstehen, die/der die organisatorischen Voraussetzungen schafft und die vorgesehenen Freiräume bereithalt, damit die Auszubildenden ihre Lernaufträge selbstständig durchführen können. - Fachliche Auseinandersetzung mit den Auszubildenden
Sie sollen in der Lage sein, Unterweisungen und Lehrgespräche durchzuführen, wenn die Auszubildenden zur Weiterführung ihrer Arbeit Hilfestellungen einfordern. - Kommunikation mit der Ausbilderin bzw. dem Ausbilder
Sie sollen den verantwortlichen Ausbilderinnen und Ausbildern qualifizierte Rückmeldungen über das Verhalten und die Lernfortschritte der Auszubildenden geben können. - Weiterbildung
Wichtig ist die Bereitschaft zur Weiterbildung, z.B. durch Erfahrungsaustausch mit anderen Ausbilderinnen und Ausbildern, durch die Teilnahme an entsprechenden Kursen oder dem Ablegen der Ausbilder-Eignungsprüfung .
Welche Anforderungen werden an die Auszubildenden gestellt?
Lernen am Arbeitsplatz erfordert von den Auszubildenden eine besonders hohe Lern- und Arbeitsmotivation. Sie müssen sich mit den Betriebszielen und den hergestellten Produkten oder angebotenen Dienstleistungen identifizieren, was eine große Leistungsbereitschaft und einen hohen Qualitätsanspruch an die eigene Arbeit beinhaltet.
Da es sich bei einem Lernauftrag um einen realen Auftrag handelt, müssen die Auszubildenden bereit sein, die Verantwortung für die erfolgreiche und möglichst selbstständige Durchführung zu übernehmen. Dazu gehört auch, bei auftretenden Problemen selbstständig Hilfe einzufordern.
In besonderen betrieblichen Situationen müssen sie sich um flexibles Verhalten bemühen, z.B. Improvisation bei nicht vorhersehbaren Schwierigkeiten, eingehen auf besondere Kundenwünsche, schnelle Reaktion auf kurzfristige Änderungen von Arbeitsabläufen und Aushalten von Termindruck. Zudem sollten die Auszubildenden mit anderen Betriebsangehörigen kooperativ zusammenarbeiten.