Das Projekt NiME wird im Rahmen des Programms "Nachhaltig im Beruf – zukunftsorientiert ausbilden (NIB)" des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) gefördert. Es wird von der Universität Bielefeld und der Leuphana Universität Lüneburg in Kooperation mit der IG Metall durchgeführt und zielt darauf ab, das Konzept nachhaltiger Resonanzräume aus der Lebensmittelindustrie auf die Metall- und Elektroindustrie zu übertragen.
Im Rahmen des Projekts werden praxisnahe Methoden und Konzepte entwickelt und erprobt, die es ermöglichen, Nachhaltigkeit als Gestaltungsmöglichkeit im Berufsalltag zu verankern. Dabei wird besonderer Wert auf die politische und kulturelle Dimension einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) gelegt, um eine ganzheitliche Perspektive auf nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Im Gespräch mit Leando stellen die Projektmitarbeitenden Florian Dück (Universität Bielefeld) und Stella Heitzhausen (Leuphana Universität Lüneburg) NiME vor.
Leando: NiME richtet sich an die Metall- und Elektroindustrie: Wo steht diese Branche in Sachen Nachhaltigkeit?

Dück: Es ist es eine sehr energieintensive Branche, was sich natürlich auch beim CO2-Ausstoß bemerkbar macht. Etwa 20 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland gehen auf die Metallindustrie zurück. Andererseits birgt die Branche dadurch sehr viel Potenzial für Einsparungen. Wenn diese Industrie CO2 reduziert, ist es sehr signifikant. Und teilweise gelingt dies schon durch scheinbar kleine Maßnahmen – beispielsweise durch den Einbau von Dimmern bei der Beleuchtung von Fabrikhallen.
Bei Nachhaltigkeit geht es aber um mehr als "nur" CO2-Einsparungen, oder?
Heitzhausen: Ja, die Metall- und Elektroindustrie ist von ganz zentraler Bedeutung in Sachen Innovationen. Um als Gesellschaft nachhaltiger zu werden, sind wir darauf angewiesen, dass hier Neuerungen ermöglicht werden, durch die wir Energie und Ressourcen effizienter nutzen können – etwa durch moderne Photovoltaikanlagen oder Elektromotoren.
Woran arbeiten Sie vor diesem Hintergrund im Projekt NiME?
Dück: Im Mittelpunkt steht ein Fort- und Weiterbildungskonzept mit begleitenden Materialien. Es richtet sich an Ausbildungspersonal, das befähigt werden soll gemeinsam mit den Auszubildenden das Thema Nachhaltigkeit anzugehen. Zunächst werden Grundlagen vermittelt: Was ist Nachhaltigkeit überhaupt? Und was hat das unter anderem mit politisch-kulturellen Aspekten im Betrieb zu tun? Ziel ist, dass die Ausbilderinnen und Ausbilder die Azubis animieren, einen Prozess des Erkundens, des Reflektierens und Gestaltens zu durchlaufen – und sie dabei begleiten.
Was zeichnet diesen Prozess ‚erkunden, reflektieren und gestalten‘ aus?
Dück: Man nimmt dadurch von Beginn an die Perspektive ein, dass es auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit kein Schema F gibt, sondern dass Maßnahmen individuell gestaltet werden müssen. Nachhaltigkeit gibt es nicht ohne Widersprüche. Das Thema ist nicht konfliktfrei. Es lässt sich nicht 1zu1 nach einem bestimmten Muster umsetzen. Stattdessen gibt es fast nur unperfekte Lösungen, die einen Aushandlungsprozess erforderlich machen. Gerade hier kommt auch der Aspekt politischer Bildung ins Spiel, der bei NiME sehr wichtig ist.
Inwiefern?
Dück: Es ist immer am leichtesten, wenn alle Beteiligten zu einem Vorschlag sagen: Es ist für alle ein Gewinn. Es ist aber auch lehrreich, wenn man – beim Versuch, Maßnahmen umzusetzen – spürt, dass es Widerstände gibt. Dann muss man organisiert auftreten, um verhandeln zu können. Darüber kann man vermitteln, dass ein Vorschlag – insbesondere, wenn er mit Kosten verbunden ist – auf Widerstand treffen kann. Dann muss man aber selbstbewusst und gemeinsam in die Verhandlung gehen, um Dinge einzufordern.
Und dies fördert das Demokratiebewusstsein?
Heitzhausen: Ja, dass Ausbildungspersonal und Auszubildende gemeinsam einen Betrieb verändern können, zahlt auf die politische Bildung ein. Sie merken durch die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit und das Einbringen von Ideen zur Verbesserung bestimmter Abläufe, dass sie die Möglichkeit haben mitzugestalten.

Wo stehen Sie gerade bei der Entwicklung des NiME-Weiterbildungskonzepts?
Heitzhausen: Zu Projektstart (Laufzeit Mai 2024 bis April 2026) haben wir branchenspezifische Bedarfe identifiziert. Daneben haben wir eine Dokumentenanalyse durchgeführt: Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrpläne wurden dahingehend analysiert, welche Themen relevant für unsere Zielgruppe sind. Auf dieser Basis ist die erste Version des Weiterbildungskonzepts entstanden. Das Ganze folgt dem Konzept des design-based-research-Ansatzes.
Dück: Jetzt erproben wir das Weiterbildungskonzept in Pilotierungsworkshops und werden in Kürze in Betriebe gehen, um dort einerseits das Konzept umzusetzen – also Fortbildungen durchführen – und andererseits um uns Feedback zu holen, wie man das Konzept noch verbessern kann. Das Erkunden des eigenen Betriebs steht bei diesem Konzept an erster Stelle.
Bedeutet dies, dass man in der Praxis stets "bei null" anfangen muss, wenn man auf der Suche nach Ansatzpunkten für mehr Nachhaltigkeit ist?
Heitzhausen: Nein, die Betriebe müssen nicht bei null anfangen. Wie gesagt, haben wir relevante Themenbereiche für die Metall- und Elektroindustrie bereits identifiziert. Oberste Priorität hat dort etwa das Thema Energie. Daneben bieten Lieferketten Ansatzpunkte, um nachhaltiger zu werden. Hier stellt sich die Frage: Woher beziehe ich die für meinen Betrieb notwendigen Rohstoffe? Automatisierung ist ebenfalls ein wichtiges Thema, das Potenzial für mehr Nachhaltigkeit bietet. Es gibt also bestimmte Bereiche, für die wir konkret Material anbieten können.
Stichwort "Vorarbeit": NiME knüpft an einem Projekt an, das in der Lebensmittelindustrie angesiedelt war. Wie passen diese Vorhaben zusammen?
Heitzhausen: NIME baut auf dem Projekt "NaReLe – Nachhaltige Resonanzräume in der Lebensmittelindustrie" – auf. Hier ging es um die Lebensmittelindustrie und darum, ein Lernaufgabenkonzept für Auszubildende und Ausbildungspersonal zu entwickeln. Damit konnten Auszubildende den eigenen Betrieb erkunden, die Abläufe dort in Bezug auf Nachhaltigkeit reflektieren und schließlich eigene nachhaltigkeitsbezogene Maßnahmen umsetzen. Dieses Grundprinzip lässt sich gut auf andere Branchen übertragen. Das Lernaufgabenkonzept aus NaReLe wird nun in ein Fortbildungskonzept übertragen.

Nachhaltig im Beruf – zukunftsorientiert ausbilden
Nachhaltig im Beruf stärkt die Umsetzung, Verbreitung und Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE). Das Programm unterstützt die Anwendung der Standardberufsbildposition "Umweltschutz und Nachhaltigkeit" in der Ausbildungspraxis, so dass die Fachkräfte von morgen bereits heute lernen, ökologisch, sozial und ökonomisch verantwortlich zu handeln. Das NIB-Programm ist kofinanziert über den Europäischen Sozialfonds Plus. Mit der fachlichen Begleitung ist das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beauftragt, mit der administrativen Begleitung die Knappschaft-Bahn-See (KBS).
Muss Nachhaltigkeit eigentlich stets wirtschaftlich sein, damit entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden?
Heitzhausen: Es ist natürlich wichtig, dass sich Dinge auch ökonomisch lohnen. Hier ist aber die Perspektive wichtig: Wie kurz-, mittel- oder langfristig ist meine Rechnung angelegt? Ich denke, wir wissen alle, dass sich Nachhaltigkeit langfristig lohnt – auch wirtschaftlich. Aber natürlich müssen etwa für die Installation einer Photovoltaik-Anlage kurzfristig Investitionen getätigt werden. Diese rechnen sich später jedoch. Und es würde auch nicht so viele PV-Anlagen geben, wenn dies anders wäre. Gleichzeit sind PV-Anlagen auch nicht immer die beste Lösung im Sinne der Nachhaltigkeit.
Warum?
Heitzhausen: Auch für die Herstellung von PV-Anlagen werden seltene Erden und Rohstoffe wie Kupfer benötigt, die unter sehr kritischen Bedingungen abgebaut werden. Im Projekt ist es uns besonders wichtig, gerade solche Widersprüche zuzulassen und zu diskutieren. Nachhaltigkeit geht nämlich immer mit Kompromissen einher.
Wie soll das NiME-Weiterbildungskonzept zugänglich gemacht werden?
Dück: Das Weiterbildungskonzept wird kostenfrei als Selbstlernangebot auf dem WAP-Portal der IG Metall zugänglich sein – mit Material und vielen interaktiven, spielerischen Übungen.
Heitzhausen: Ausbilderinnen und Ausbilder können erst an einem Workshop teilnehmen, in dem Grundlagen vermittelt werden. Dann können sie mit dem Material arbeiten, um die eigene Ausbildungspraxis zu verbessern. Dabei können sie sich auch einzelne Teile aus der Weiterbildung herauspicken. Das Ganze ist nicht so angelegt, dass es nur funktioniert, wenn man alle Inhalte der Reihe nach durcharbeitet. Man kann auch nur auf einzelne Bausteine zugreifen.
Welche Rückmeldungen haben Sie aus der Praxis schon erhalten?
Dück: Die Rückmeldungen aus den Pilotierungsworkshops waren sehr positiv. Das Thema Nachhaltigkeit treibt die Betriebe um – wozu auch die Standardberufsbildposition "Umweltschutz und Nachhaltigkeit" beiträgt. Es kommt in jedem Fall gut an, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich auch die Breite des Themas bewusst zu machen. Gefallen hat unseren Workshop-Teilnehmenden, dass man beim Thema Nachhaltigkeit selbst schnell handeln kann.



