Laut Berufsbildungsgesetz (BBIG) wirken die Lernorte bei der Durchführung der Berufsbildung zusammen. Wie diese gesetzlich vorgeschriebene Lernortkooperation ausgestaltet wird, obliegt den Kooperationspartnern. Mit dieser Vorgabe soll eine "Abschottung" der einzelnen Lernorte voneinander verhindert werden.
Eine gut organisierte Lernortkooperation, bei der Betriebe, Berufsschulen und ÜBS kooperativ zusammenwirken, kann dazu beitragen, theoretisches und praktisches Lernen zu verbinden. Auf dieser Grundlage können Auszubildende möglichst vielfältige Kompetenzen erwerben. Gleichzeitig bietet sie einen guten Überblick über Lernerfolge und mögliche Schwierigkeiten von Auszubildenden.
Für eine aktive Gestaltung der Lernortkooperation sprechen u.a. folgende Faktoren:
- Die sinkende Zahl von Ausbildungsbewerber/-innen fordert einen "inklusiven" Ansatz des Ausbildens. Dabei steigt die Zahl derjenigen Auszubildenden, die sowohl im Betrieb als auch in der Schule und ÜBS "gecoacht" werden müssen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und Ausbildungspersonal ist damit unabdingbar.
- Heterogene Zielgruppen machen es notwendig, über Problemgespräche hinaus die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten zu institutionalisieren. Als sichtbares Element eines institutionalisierten Coachings, das beide Partner in Beziehung setzt, kann hier die "Assistierte Ausbildung" genannt werden.
- Auszubildende werden, auch aus Kostengründen, immer stärker in den betrieblichen Leistungserstellungsprozess eingebunden. Eine Folge dieser Entwicklung ist eine zunehmende Beschränkung auf die Vermittlung von arbeitsplatzspezifischen Qualifikationen. Dies kann dazu führen, dass in den Betrieben der berufspädagogische Auftrag nicht im bisherigen Umfang erfüllt wird. Hieraus ergibt sich die Forderung der Betriebe nach einer engeren Verzahnung von schulischer und betrieblicher Ausbildung.
- Zusätzlich gefordertes Fachwissen und neue Technologien in den Ausbildungsbetrieben stellen weitere Herausforderungen auch für Ausbildungspersonal und Lehrkräfte dar. Lernortkooperation kann durch die gemeinsame Weiterbildung von Ausbildungspersonal und Lehrkräften (ausgerichtet an den besonderen Anforderungen der Betriebe) Abhilfe schaffen. Gerade in gewerblich-technischen Berufen ist es für Lehrkräfte an Berufsschulen zunehmend wichtig an den technischen Innovationen der Betriebe teilzuhaben.
Lernortkooperation ist ebenfalls ein wesentliches Element zur effektiven Gestaltung von handlungs- und prozessorientierten Lehr-/Lernprozessen in Schule und Betrieb. Im Rahmen einer handlungsorientierten Didaktik leitet sich daraus die Forderung ab, in der schulischen als auch in der betrieblichen Ausbildung die Theorie- und Praxisanteile miteinander zu verzahnen. Daraus resultiert ein Koordinationsbedarf der Lernorte insbesondere hinsichtlich der Frage, auf welche inhaltlichen Aufgaben- und Problemstellungen die Ausbildungsschwerpunkte innerhalb und zwischen den Lernorten bezogen werden sollen. Da die Ausbildungsinhalte an authentischen Praxisproblemen ausgerichtet sein sollen, ergibt sich insbesondere für die Berufsschule ein erhöhter Bedarf, um den Praxisbezug über die Betriebe zu erschließen und zu sichern.
Mit der Neuordnung von zahlreichen Ausbildungsberufen wird die Theorie-Praxis-Verbindung sowohl für die Berufsschule als auch für den Betrieb beständig eingefordert und deshalb bedarf es der Einbeziehung handlungsorientierten Lernens an beiden Lernorten.
BIBB-Hauptausschussempfehlung zur Lernortkooperation
Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung hat 1997 eine "Empfehlung zur Kooperation der Lernorte" (Nr. 99)2 herausgegeben, die die Aufgaben der Lernortkooperation näher definiert:
- Arbeitskreise von Ausbildern und Lehrern, die der Information dienen
- Aufnahme oder Verstärkung der Lernortkooperation durch vorhandene Gremien wie Berufsbildungs- und Prüfungsausschüsse bei den Kammern, Schulkonferenzen, Landesausschüsse
- Gemeinsame Ausbildungsprojekte zur Entwicklung bzw. Verstärkung einer methodisch-didaktischen Zusammenarbeit von Ausbildern am Berufsschulunterricht bzw. von Lehrern an betrieblichen Praktika zur Intensivierung der Kommunikation
- Gemeinsame Teilnahme von Ausbildern und Lehrern an berufspädagogischen und fachlichen Weiterbildungsmaßnahmen zur Entwicklung gemeinsamer Erfahrungsbestände
Die Lernortkooperation zwischen Betrieb und Schule ist in Rechtsgrundlagen verbindlich geregelt, an die die Partner der dualen Ausbildung bei der inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung ihres Bildungsauftrages gebunden sind.
Mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBIG) 2005 wurde die Lernortkooperation zur gesetzlichen Norm. In § 2 Abs. 2 heißt es:
"(2) Die Lernorte nach Abs. 1 wirken bei der Durchführung der Berufsbildung zusammen (Lernortkooperation)."
Es sind folgende Unterschiede bei den rechtlichen Grundlagen für Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule zu berücksichtigen:
- Die betriebliche Ausbildung ist bundeseinheitlich durch Bundesrecht (BBIG) geregelt. Für die Durchführung der betrieblichen Ausbildung gelten auf der Seite der Ausbildungsbetriebe das Berufsbildungsgesetz und die Ausbildungsordnungen mit dem Ausbildungsrahmenplan.
- Berufsschulische Ausbildung ist ländereinheitlich in den jeweiligen Schulgesetzen geregelt. Die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) verabschiedet für die Ausbildung im Lernort "Berufsschule" einen Rahmenlehrplan . Die Lehrpläne sind in Lernfelder gegliedert, die sich an beruflichen Aufgaben und Handlungsfeldern orientieren.
Die Lernorte "Betrieb" und "Berufsschule" arbeiten auf der Grundlage beider Ordnungsmittel an der Planung, Durchführung und Bewertung von Lernsituationen zusammen. Dabei erweisen sich die unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen als Herausforderung für die Lernortkooperation. Nur selten entsprechen die betrieblichen Abläufe exakt den Lernfeldern der Berufsschule. In der gelungenen Abstimmung und gegenseitigen Ergänzung der Lernfelder mit dem Ausbildungsrahmenplan liegt daher eine große Herausforderung. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung für die Abstimmung von berufsschulischem Unterricht und betrieblicher Ausbildung.
Das Hamburger Modell
In Hamburg sind Lernortkooperationen (LOK) als ein elementares Gremium für alle ausbildenden Betriebe vorgeschrieben. Die Ausbilder/-innen einer Branche oder eines Berufes kommen zweimal im Schuljahr zusammen, um sich mit den Lehrenden der Berufsschulen über ausbildungsrelevante Themen abzusprechen. Dem Gesetz nach sollen Lernortkooperationen vorrangig an der Weiterentwicklung der Ausbildungsinhalte und -qualität mitwirken sowie den Lehrplan zwischen Betrieben und Schulen abstimmen. Der direkte Dialog zwischen Vertretungen der Betriebe und Berufsschulen steht dabei im Vordergrund. Innerhalb von Lernortkooperationen können Beschlüsse mit verbindlichem Charakter gefasst, Kooperationen geplant und konkrete Vereinbarungen getroffen werden.
Zwischen den Lernorten bestehen unterschiedliche systemspezifische Rahmenbedingungen und Ziele, die es bei einer erfolgreichen Kooperation zu berücksichtigen gilt. Während die betriebliche Ausbildung von betriebswirtschaftlichen Erwägungen und den Rahmenbedingungen des Fertigungsprozesses geprägt ist, stehen in der Berufsschule der berufstheoretische Teil der Ausbildung, die Vermittlung allgemeiner Lerninhalte und die Reflexion über Arbeit und Beruf im Mittelpunkt.
Der Aufbau einer nachhaltig angelegten Kooperation ist ein längerfristiger und schrittweiser Prozess, der viel Eigeninitiative, Fingerspitzengefühl und Geduld der Akteure voraussetzt. Folgende Leitfragen sollten im Vorfeld abgeklärt werden:
- Wer sind die Lernortpartner des Betriebes und welche Aufgaben übernehmen sie?
- Gibt es in dem Betrieb Vereinbarungen dazu, wie die Zusammenarbeit der Lernorte gestaltet wird?
- Wird die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten regelmäßig auf den Prüfstand gestellt und verbessert?
Für die Initiierung der Lernortkooperation empfiehlt sich ein Vorgehen in drei Schritten1:
- Gegenseitige Information über die Ausbildungsplanung und -durchführung
Hierzu zählen zu Beginn der Austausch von Informationen und die Einrichtung eines Kommunikationsweges, der Planungen für alle Kooperationspartner verfügbar macht. Zusätzlich sollten regelmäßige Treffen der Ausbildungsbeteiligten eingerichtet werden, bei denen im persönlichen Kontakt Probleme und Ideen, Erfahrungen und Maßnahmen ausgetauscht werden. - Gemeinsame Planung der Ausbildung
Eine Parallelität der Ausbildung zwischen Berufsschule und Betrieb mag in der Regel nicht realisierbar sein, wohl aber eine Arbeitsteilung. Ist ein Betrieb allein nicht in der Lage, die in der Ausbildungsordnung eines bestimmten Berufes genannten Ziele und Inhalte vollständig zu vermitteln, muss er die von ihm selbst nicht zu leistenden Ausbildungsinhalte in einer externen Einrichtung vermitteln lassen. Das kann eine überbetriebliche Berufsbildungsstätte, aber auch eine Berufsschule sein. Durch eine gemeinsam geplante, arbeitsteilige Ausbildung kann auch die Berufsschule in einem bestimmten Umfang Ausbildungsabschnitte des betrieblichen Ausbildungsplans übernehmen. Beispiele hierfür sind die Einführung in die Datenverarbeitung, Büroorganisation oder Buchhaltung. - Zusammenarbeit in der Durchführung der Ausbildung
Auf der höchsten Stufe der Lernortkooperation zwischen Betrieb und Berufsschule planen die Partner gemeinsam alle Phasen der Berufsausbildung, von der Auswahl der Bewerber/-innen bis zum Abschluss der Kammerprüfung. Dazu gehören neben der inhaltlichen und methodischen Abstimmung sowie der Planung der Ausbildungsthemen die gemeinsame Weiterbildung für Ausbildungspersonal und Lehrkräfte.
Wenn der Handlungsbedarf zwischen den Kooperationspartnern festgestellt ist, sollten
- Schwerpunkte für die Lernortkooperation gesetzt werden
- der Stand der Lernortkooperation festgestellt werden
- Entscheidungen vorbereitet sowie Maßnahmen geplant und umgesetzt werden #
Die Schwerpunkte können je nach Branche, betrieblichen Voraussetzungen und Gestaltung der Ausbildungsorganisation variieren. Konstitutiv für eine erfolgreiche Lernortkooperation sind gemeinsame Arbeitstreffen (in Präsenz oder virtuell), eine wiederkehrende Praxisbegleitung und -beratung, möglichst ein Kooperationsvertrag und Austauschstrategien mit Blick auf die Planung der Kommunikation.
Im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Arbeitswelt, kommt der Lernortkooperation eine besondere Bedeutung zu. Informationstechnologie und neue Medien werden in fast allen Wirtschaftsbereichen zu bestimmenden Elementen und bringen für die Berufsausbildung neue Inhalte und Herausforderungen mit sich. Gefragt sind Fähigkeiten, die den Umgang mit IT und Software, mit Anwendungsprogrammen, automatisierten Systemen und die Überwachung sowie Instandhaltung digital gesteuerter Produktionsanlagen betreffen. Zunehmend verlangt werden auch Verständnis für die gesamte digitale Kette der Geschäfts- und Produktionsprozesse, für elektronische Warenwirtschafts- und Bezahlsysteme sowie die Beherrschung integrierter Unternehmenssoftwarelösungen.
Mitunter sind in kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) die Kompetenzen in diesen Wissensbereichen nicht vorhanden oder es fehlt die Zeit, um während des Produktionsablaufs die Auszubildenden systematisch zu schulen. Hier können Ausbildungsverbünde und Kooperationen helfen, die Lücke im Betrieb - durch Auslagerung von Ausbildungssequenzen, Kursen oder Exkursionen für die Auszubildenden - zu schließen.
Notwendig wird eine Kooperation mit überbetrieblichen Einrichtungen oder Berufsschulen auch, wenn aufwändige und teure Lernumgebungen wie z. B. Smart Factories eingesetzt werden müssen. Smart Factories stellen eine am Fertigungsprozess orientierte didaktisch reduzierte Lernumgebung dar, die den Auszubildenden die Zusammenhänge der digitalen Produktion in der Industrie 4.0 erfahrbar macht.
Zunehmend werden für die lernortübergreifende Ausbildung auch neue Softwarelösungen entwickelt. Sie unterstützen das Zusammenspiel der Lernorte durch den Einsatz moderner Kommunikations- und Kollaborationstechnologien. So ist an den verschiedenen Lernorten für Auszubildende, Lehrkräfte und Ausbildungspersonal oftmals ein elektronisches Berichtsheft verfügbar. Termine, Ausbildungsabschnitte und -inhalte können mit diesen Tools für alle transparent abgebildet werden.
Digitale Ausbildungsnachweise geben die Möglichkeit, projektorientiertes Lernen im Betrieb mit Theorie- und Reflexionsphasen in der Berufsschule zu verbinden. Projektergebnisse können oftmals in elektronischen Lerntagebüchern (E-Portfolios), Wikis oder Blogs dokumentiert werden. Auch mithilfe von Handyvideos können Auszubildende Arbeitsschritte dokumentieren und für den Abruf "on demand" in einer Cloud für alle Lernorte archivieren.
1. Überbetriebliche Berufsbildungsstätten (ÜBS)
Neben den "klassischen" Lernorten Betrieb und Berufsschule erfüllen insbesondere im Handwerk und in der Landwirtschaft die überbetrieblichen Ausbildungszentren eine wichtige Funktion. Sie tragen im hohen Maße dazu bei, dass nicht nur betriebsspezifisch, sondern berufsspezifisch ausgebildet wird.
Häufig mit Unterstützung des Staates und auch der Kammern haben sich kleinere Betriebe, beispielsweise im Handwerk, zusammengeschlossen, um überbetriebliche Berufsbildungsstätten zu errichten und zu unterhalten. Die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten dienen der Ergänzung der betrieblichen Ausbildung. Sie bieten eine systematische Unterweisung, die dem Einsatz im betrieblichen Arbeitsprozess vorgelagert ist und die kleine Betriebe in dieser Form nicht leisten können. Ziel ist es, nicht nur die notwendigen allgemeinen Grundkenntnisse zu vermitteln und Fertigkeiten einzuüben, sondern auch die Unfallgefahr zu verringern und kostenträchtige Fehler zu vermeiden.
2. Außerbetriebliche Ausbildung
Außerbetriebliche Ausbildungsstätten führen die Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen durch. Sie richten sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die nach ihrer Schulzeit keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden. Dafür haben sich private oder halbstaatliche Träger (Kammern) in sehr unterschiedlichen Rechtsformen organisiert. Vielen Jugendlichen kann damit eine Ausbildung ermöglicht werden, obwohl Vermittlungshemmnisse bestehen.
3. Verbundausbildung
Da viele Betriebe bestimmte Ausbildungsinhalte aufgrund der internen Geschäftsprozesse nicht vermitteln können, haben sie sich zu Ausbildungspartnerschaften zusammengeschlossen. Im Verbund können die Betriebe sich bei der praktischen Berufsausbildung ergänzen. Die Verbundausbildung erleichtert den Betrieben nicht nur den Einstieg in die Berufsausbildung, sie hilft auch, den Fachkräftebedarf in kleinen und hoch spezialisierten Betrieben zu sichern. Betriebe mit verschiedenen Schwerpunkten übernehmen unterschiedliche Ausbildungsabschnitte und können so eine fachlich breite, umfassende Qualifizierung der Auszubildenden gewährleisten. Darüber hinaus kooperieren teilweise auch Betriebe mit privaten Bildungsträgern, um die Verbundausbildung ihrer Auszubildenden realisieren zu können.
Um das Anbahnen von Ausbildungsverbünden zu erleichtern, hat sich beispielsweise in Berlin eine sogenannte "Verbundberatung" etabliert. Der "Verein zur Förderung der beruflichen Bildung Berlin e. V." (vfbb) unterstützt Unternehmen bei der Suche nach Verbundpartnern, bei der Vertragsgestaltung, bei der Initiierung der Ausbildung und auftretenden Problemen sowie bei der Beantragung von Fördermitteln. Über ein eigenes Netzwerk hilft der Verein den Betrieben bei der Suche nach geeigneten Auszubildenden und auch bei der Lösung von Krisensituationen innerhalb der Ausbildung. Initiatoren und Mitglieder dieses Vereins sind die Industrie- und Handelskammer zu Berlin, die Handwerkskammer Berlin, der Verband der Freien Berufe in Berlin e. V. (VfB) und die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e. V. (UVB).
Beratung zur Verbundausbildung (IHK Berlin)
4. Assistierte Ausbildung
Assistierte Ausbildung ist eine Form der kooperativen Ausbildung. Ein Bildungsanbieter übernimmt die Rolle eines Dienstleisters, der dafür sorgt, dass Ausbildungsverhältnisse zustande kommen und erfolgreich verlaufen. Mit dem Ziel, jungen Menschen die Ausbildung zu ermöglichen und einen erfolgreichen Berufsabschluss sicherzustellen, richtet sich die assistierte Ausbildung gleichermaßen an Auszubildende wie auch an Betriebe. Dabei liegt die Ausbildungsverantwortung bei den Betrieben, mit denen die Azubis einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben und von denen sie ihre Ausbildungsvergütung erhalten. Das Angebot für die Jugendlichen umfasst Bewerbungstrainings, Praktika in der Vorbereitungsphase, Nachhilfe, Beratung sowie Hilfen zur Lebensbewältigung und Existenzsicherung in der Ausbildung. Betriebe erhalten Unterstützung in Form von Bewerbungs- und Ausbildungsmanagement, Beratung und Information im Hinblick auf spezifische Zielgruppen sowie bei der Lernortkooperation. Die assistierte Ausbildung ist im SGB III verankert. Das Gesetz zu ihrer Umsetzung ist seit dem 1. Mai 2015 in Kraft.
5. Kooperationen im Prüfungswesen
Die ehrenamtliche Mitarbeit in Prüfungsausschüssen ermöglicht es Ausbildungspersonal und Lehrkräften, sich in einem ganz neuen Rahmen kennenzulernen und Kontakte herzustellen. Diese formalisierte Zusammenarbeit in Gestalt von regelmäßigen Treffen schafft Vertrauen zwischen beiden Instanzen, bietet Gelegenheit zu Absprachen und führt häufig dazu, im regulären Ausbildungsverlauf enger zu kooperieren. Der Austausch im Prüfungsausschuss gewährleistet zudem, dass Betrieb und Schule immer auf dem neuesten Stand sind.
Das "Telgter Modell"
Wie erfolgreich es sein kann, die Berufsausbildung und die Kooperation mit Schulen und anderen Unternehmen in den Mittelpunkt des Unternehmensleitbilds zu stellen, zeigt das Beispiel des Maschinenbauunternehmens Münstermann GmbH & Co KG in Telgte-Westbeveren. Es initiierte bereits im Jahr 2008 zusammen mit acht weiteren Unternehmen in Kooperation mit einer Hauptschule sowie mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung der Stadt das sogenannte "Telgter Modell". Mittlerweile sind alle weiterführenden Schulen und Grundschulen Telgtes sowie über 90 Unternehmen aktive Kooperationspartner.
Ursprünglich wurde das Kooperationsmodell entwickelt, um motivierte Ausbildungsbewerberinnen und -bewerber zu gewinnen. Ziel ist es, Schülerinnen und Schülernn die Möglichkeit zu bieten, vor der Berufswahl möglichst viele Berufe kennenzulernen und Kontakte zu Firmen aufzubauen. In diesem Rahmen bieten Betriebe Lehrgänge und Aktionen für die Unterrichtsgestaltung bereits in der Grundschule an. Die Aktionen finden sowohl in der Schule als auch in den Unternehmen statt. Auch die Eltern werden miteinbezogen und informiert.
Die Institutionalisierung der Lernortkooperation zwischen Münstermann und den Schulen bezieht im Ausbildungsprozess die lokalen bzw. regionalen Berufsschulen sowie die überbetrieblichen Lehrwerkstätten des Handwerks ein. Dies ist u. a. ein Anlass für die Lehrkräfte an den Schulen, mit den Unternehmen in Kontakt zu treten und damit eine praktische Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft zu ermöglichen.
Inspiriert von der Idee des Telgter Modells leitete die Bezirksregierung Münster im Jahr 2010 das WSP-Informationsportal (WSP = Wirtschaft und Schule als Partner) ab. Das Telgter Modell ist also sogar zum "Exportschlager" geworden. Viele Kommunen und Gemeinden über den Regierungsbezirk Münster hinaus haben zwischenzeitlich ein Netzwerk zwischen Schule und Wirtschaft vor Ort aufgebaut.
Karl-Arnold-Schule in Biberach
Lernortkooperation ist ein fester Bestandteil der Berufsausbildung der Karl-Arnold-Schule in Biberach und hat schon seit 1996 Tradition. Sie wird gefestigt durch persönliche Gesprächsanlässe mit den Ausbilderinnen und Ausbildern in den Betrieben, die zu jährlichen Ausbildernachmittagen oder Abschlussveranstaltungen eines Projekts zur Lernortkooperation stattfinden. Gemeinsam besuchte Seminare, die Mitarbeit in den Prüfungsausschüssen und die Teilnahme am Ausbilderarbeitskreis bieten weitere Gelegenheit, sich über einzelne Auszubildende wie auch über die Planung gemeinsamer Unterrichtsvorhaben auszutauschen.
Die Karl-Arnold-Schule in Biberach informiert auf ihrer Internetseite über ihre Projektplanung und formuliert ihre Ziele in Bezug auf die Lernortkooperation. Weiterhin finden Sie hier auch eine Checkliste für die Planung und Umsetzung von lernortübergreifenden Projekten.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung und den wachsenden Anforderungen an Aus- und Weiterbildung nehmen auch die Berührungspunkte der unterschiedlichen Lernorte weiter zu. In allen Berufen gewinnen IT- und Medienkompetenzen an Bedeutung - eine Herausforderung, der sich die Betriebe und die Berufsschulen gleichermaßen stellen müssen. Dies kann aber nur in enger Abstimmung mit den übrigen Lernorten gelingen, indem sie sich mit ihren besonderen Stärken gegenseitig ergänzen. Digitale Lernwerkzeuge eröffnen zudem neue Möglichkeiten der Kollaboration und des Informationsaustausches, der Dokumentation von Lernabschnitten sowie des Wissensmanagements der Lernenden und Ausbildenden über die verschiedenen Lernorte hinweg.
Entscheidend für eine erfolgreiche Lernortkooperation ist, dass sie von allen Akteuren gewollt und getragen wird. Lernortkooperation setzt finanzielles und zeitliches Engagement der beteiligten Akteure voraus. Um sie im betrieblichen Ausbildungsalltag realisieren zu können, muss sie in die Zeitplanung der Ausbildenden mit aufgenommen werden. Dies sollte sich schon in den Stellenbeschreibungen für die Ausbildenden niederschlagen.
Für die betriebliche Berufsausbildung bietet die Lernortkooperation folgende Vorteile2:
- Ergänzung des Arbeitsplatzlernens durch gesonderte Projekte bzw. simulierte Formen des Handlungslernens
- Vermittlung allgemeiner Lerninhalte und die Reflexion über Arbeit und Beruf
- Eröffnung von Handlungsspielräumen für selbstgesteuertes entdeckendes Lernen
- Professionalisierung des Ausbildungspersonals in Richtung Lernprozessbegleitung
Für die Berufsschule gilt es,
- Lernen an berufliche Handlungssituationen anzunähern, sodass authentische, simulierte und/oder symbolisch repräsentierte Handlungen ermöglicht werden,
- allgemeine Kompetenzen zu erweitern,
- fächerübergreifende, transferfördernde Lernprozesse zu sichern und
- die Rolle der Lehrkräfte in Richtung Lernprozessorganisation und Lernberatung zu verändern.
Lernortkooperation ermöglicht es,
- Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Berufsschulen profitieren davon, wenn sie mit Ausbildungsbetrieben und Ausbildungsverbünden eng kooperieren und umgekehrt. Man kann dann auf Ressourcen zurückgreifen, die man selbst nicht vorhalten kann.
- betriebliche Ausbildungspläne mit schulischen Rahmenplänen abzustimmen.
- gemeinsame Weiterbildung von Ausbildungspersonal und Lehrkräften zu organisieren.
- die duale Ausbildung insgesamt attraktiver zu machen.